Seit einigen Tagen verfolgen wir die Unruhen, die sich in wichtigen Industriestädten Bosnien und Herzegowinas abspielen.
Uns vom „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e. V.“, die wir seit dem ersten Kriegsjahr von 1991 bis heute in diesem Land ununterbrochen aktiv sind, hat das nicht sonderlich überrascht. Hierzu muss man sich bewusst machen, dass Bosnien und Herzegowina durch das Dayton-Abkommen im Dezember 1995 zum Frieden gezwungen wurde. Es wurde eine aufgeblähte Verwaltungs-struktur aus zwei Entitäten, drei Volksgruppen und 10 Kantonen geschaffen, die fast 60 % des Volkseinkommens schluckt. Ehemalige staatliche Betriebe wurden privatisiert. Vor allem große Beriebe (Fabriken, Bergwerke usw.) gingen pleite, Massenarbeitslosigkeit (47 % allgemeine Arbeitslosigkeit, über 50 % Jugendarbeitslosigkeit) ist die Folge. Bei den Unruhen der letzten Tage gehen keine faschistisch orientierten Nationalisten aufeinander los. Nein, hier wehrt sich die immer mehr in Armut und Perspektivlosigkeit versinkende Bevölkerung gegen die Korruption und Ohnmacht des Staates.
Die Befürchtung, es könnte wieder zu einem Krieg wie in den neunziger Jahren kommen, haben von daher kein Fundament. Aber es werden alte Ängste geweckt. Die Erinnerung an die Kriegsereignisse vor zwanzig Jahren haben posttraumatischen Gefühle hinterlassen, die jetzt reaktiviert werden. Heute telefonierte ich mit einer Freundin, die den letzten Krieg dort erlebte und schließlich mit ihren Kindern nach Deutschland fliehen konnte. Nach Bosnien zurückgekehrt arbeitet sie heute genau in dem Gebäude der kantonalen Regierung, das vor einigen Tagen in Brand gesetzt wurde.
»Auch wenn wir direkt betroffen waren, haben wir diese heftigen Aktionen als eine Art Befreiung empfunden. Alles das musste kommen. Aber wir wissen nicht wie es weiter gehen soll.« So Suada S., die in der Abteilung für Jugend und Kultur arbeitete. »Unsere Büros sind abgebrannt, jetzt suche wir nach neuen Räumen.« Und hier sind wir Westeuropäer gefragt. Die einzige Chance, die dieses Land hat, liegt in der Integration in Europa. Alle Menschen, mit denen wir in Bosnien-Herzegowina und hier speziell in Tuzla, Zenica und Sarajevo, Kontakt haben vermitteln uns: Gerade eure Projekte „Flame for Peace – Jugend macht Europa“ und „Bina Mira – Bühne des Friedens“ sind gefragter denn je.
Daher werden wir gerade in dieser Situation am 28. Juli diesen Jahres die Friedensflamme in Sarajevo entfachen, sie durch Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien, Slowenien und weiteren 8 westeuropäischen Ländern mit Staffelläuferinnen und Läufer tragen, um dann am Weltfriedenstag, dem 21. September 2014 damit das Friedenstheaterfestival Bina Mira in Aachen zu starten. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir nicht einen Plan B in Aktion setzen müssen, der dieses Land Bosnien und Herzegowina, das gerade jetzt ganz nah an der Schwelle zu Europa steht, auslässt. So lautet auch ein Teil unserer Botschaft: »Bosnien zurück in die Mitte Europas!«