Dino, unser junger Bosnier, ist erstmals in seinem Leben in Deutschland. Er verschläft allerdings den Grenzübertritt aus Österreich auf der Rückbank. Zu viel mit seinen Liebchen in Bosnien geskypet am Abend zuvor. Der 19-jährige arbeitet an seinem Deutsch: „Eine große Cola, bitte“ kann er schon sagen. Allmählich freundet er sich, auf englisch, mit einigen Jugendlichen der Mies van der Rohe Schule an. Im Basketball tanzt er alle aus. Und erzählt ganz nebenbei, dass er mit 16 in der bosnischen Jugendnationalmannschaft gespielt hat. Einmal („in acht Minuten 12 Punkte, davon 3 Dreier“) nur. „In Bosnien muss man viel Geld für gute Trainer zahlen. Hatten wir nicht. Also war es schnell vorbei.“ Statt gerade als Jungstar in der NBA zu triumphieren, joggt Dino jetzt mit uns.
Dino, geboren im Kriegssommer 1995, erzählt auch, dass Bosnien-Herzegowina eine Weltmacht im Sitzvolleyball sei: Alle großen sechs Titel (Paralympics, WM, EM) der vergangenen Jahre gingen an sein Land. Eine zynische Folge des Krieges übrigens. Nirgends gibt es eine Generation so vieler körperlich Behinderter; derzeit im sportlich besten Alter. Eine eigene Erinnerung dazu: Im Flug von Köln nach Sarajevo vor fünf Wochen saßen sieben RollstuhlfahrerInnen, alt wie jung.
Im Zielort Bernau am Chiemsee gab es wieder zwei Dutzend Ortsläufer, darunter etliche Kinder. Der sehr engagierte Bürgermeister sprach in der Begrüßungsrede davon, der Lauf mute „auf den ersten Blick skurril“ an, so lange so weit (und manche von uns haben womöglich gedacht, ganz unrecht hat er nicht). Dann lobte er das Vorhaben sehr und überreichte Heinz einen verschlossenen Brief für Martin Schulz (und alle wüssten gern, was darin steht). Wir bekamen keinen Brief sondern im Sportheim des BSV Bernau einen Riesensee Rahmschwammel mit Semmelknödel, ersatzweise Schweinsbraten.
Genächtigt haben wir mit Aikido-Sportlern in einer großen Halle. „Aikido bedeutet einen Weg zu gehen“, erfahren wir in einer Broschüre, der wettkampffreie Sport diene dazu, „den inneren Frieden zu finden“. Passt doch zu uns. Dennoch mussten wir Randfiguren bleiben. Die Aikido-Mattenflächen in der Mitte der Halle, also fast überall, durften wir nicht betreten. Erst hieß es, wir müssen wegen des Aikido-Morgenrituals die Halle bis 6 Uhr 30 verlassen. Eine halbe Stunde konnten wir raushandeln. Früh raus muss ohnehin sein, der nächste Tag wird mit 72 Kilometern sehr lang.