Wir kommen mit dem Bloggen kaum mehr hinterher. Zu viel ist zu planen, vorzubereiten, zu checken. Seit Maastricht haben wir diverse Orte mit Durchlaufzeiten auf der Startseite flameforpeace.de veröffentlicht. Da müssen wir auch pünktlich sein, falls Gastläufer warten.
Und das tun sie auch. In Übach kommen zwei hinzu, in Freialdenhoven und Merzenhausen sind es vier, darunter der stellvertretende Bürgermeister von Jülich mit dem politischen Namen Martin Schulz. Er läuft sich selbst zum Empfang. Dabei jetzt auch Heinz Jussens Tochter und sein neunjähriger Enkel Fynn.
Mit Ankunft im Stadtgebiet Jülich müssen wir zwei Küster anrufen. Sie wollen die Glocken läuten zur Ankunft. Emad macht das. Einen erreicht er sofort, der andere geht und geht nicht ans Telefon. Schlechte Energien zwischen dem praktizierendem Moslem und dem Christen? Akustisch klappt die große Ökumene jedenfalls noch nicht. Egal: Die Glocken der Kirche vor dem neuen Rathaus bimmeln sich einen Wolf als wir ankommen. Opa und Enkelsohn Jussen stehen da mit der Fackel. Erhebend. Wow.
Vergessen die Rückkehr des Wolkenbruch-Wetters, zudem gegen jede Vorhersage. Kerkrade/Herzogenrath, die einst durch eine Mauer des Unfriedens herzhaft getrennten Städte, erleben wir in großer deutsch-niederländischer Einigkeit: Es schüttet mittags von Locht (Achtung, Aachener Boden noch nicht betreten!) bis kurz vor Übach wie aus Eimern/Eimeren (falls es das Wort gibt, – keine Zeit nachzugucken). Egal, durch. Abends Camarel-Konzert im Brückenkopfpark, extra für uns, mit Banner und Flamme auf der Bühne. Adelheid singt live die Flameforpeace-Hymne im nahenden Gewitter. Nochmal wow!
Morgens in Jülich wieder ein Rekord: Mehr als 100 SchülerInnen des Gymnasiums an der Zitadelle müssen mit Startnummern ausgerüstet werden. Auf geht’s für ein paar Kilometer, und endlich mal für ein Stückchen Blaulicht der Polizei dabei. In Aldenhoven besuchen wir das Bergwerksmuseum, der alte Kumpel Heinz (4,5 Jahre unter Tage in ganz jungen Jahren) wird per Urkunde zum „Friedens-Steiger“ ernannt. Dann begleitet uns eine Pferdekutsche, gezogen von zwei Rössern, Mutter und Sohn übrigens. Und mittags noch ein Empfang in Düren vor dem Rathaus. Düren und Jülich waren die beiden im Krieg meist zerstörten Städte Deutschlands – jeweils 99 Prozent aller Gebäude waren weggebombt. Eine diensteifrige Politesse verteilt derweil 15-Euro-Knöllchen an den daneben geparkten Fahrzeugen. Der stellvertretende Bürgermeister lässt sie sich aushändigen – wird auf dem kleinen Dienstweg erledigt.
„Ihr seid verdammt coole Socken“, sagt Stefan nach seiner Gastlauf von Jülich zum Blausteinsee. Er will Sonntag am Dreiländereck auf uns warten. Viele Läufer werden wir beim Winterlauf wiedersehen im Dezember (Maastrichter, Vossenacker und einige andere haben erzählt, dass sie einen Startplatz ergattert haben). Von uns wird es im flame-Hemd auch ein halbes Dutzend sein.
Vossenack, Zielort. Unten in Zerkall warten knapp 20 Hürtgenwald-Jogger auf uns. Sie haben sich Laufshirts wie unsere machen lassen, toll. Die Gemeindeverwaltung hier, allen voran Romina Leisten, stellt Fantastisches auf die Beine. Auch die berühmte Kirche von Vossenack (die Frontlinie lief hier während der Schlacht im Hürtgenwald zeitweise mitten hindurch) lässt die Glocken läuten dass die Ohren dröhnen. Zwei Dutzend Frauen wedeln mit Fähnchen und rasseln die Rasseln, als wir oben ankommen. Abends: Grilleinladung, gesponsort vom Rureifel-Tourismus. Deren Leiter heißt Gotthard Kirch – geht es christlicher? Aber es passtzu Eifelllanden: Wir übernachten bei Pater Daniel im Klosterinternat der Franziskaner. Wieder was Neues, im Kloster. Und was ist Pater Daniel für eine Type. Kommt abends von einer Dienstreise aus München zurück, läuft uns auf einer Treppe von oben ergeben, fast wie Lou van Burg einst seine Showtreppe. Und erweist sich als großer Entertainer, sozial engagiert vor allem für Flüchtlingskinder. Er schafft sofort den Spagat zwischen Unterhaltung und Ergriffenheit.
Was die Läufer alle laufen. Nikoleta hat ihr Pensum verdoppelt, von 15 täglich auf 30 Kilometer. Christian genauso, binnen drei Tagen von 10 auf gut 20 am Tag. Er warnt vor dem Genuss der Schokolade: „5 Sekunden im Mund, 5 Stunden im Magen, Jahre auf den Hüften.“ Die drei Ultras dieser Woche sind ohnehin eine andere Welt; 66 km Maastricht-Jülich laufen sie alle durch, Henry mit Puls 100, wie er sagt. Björn macht schon mal privat Nachtläufe: 110 Km. Helmut läuft auch alles durch, verblüffenderweise mit kleinem Bauchansatz – er kannte Christians weisen Schokoladen-Spruch vorher noch nicht. Fabian war wieder ein Stück dabei und hat gleich seinen Papa mitgebracht. Nur das Filmteam läuft allenfalls davon: Daggi und Tom erliegen in Jülich und Vossenack dem Ruf des nahen heimischen Bettes und shuttlen nach Aachen.
Noch zwei Tage. Wir hoffen auf hunderte Begleiter Sonntag zum Zieleinlauf: Leute, schnürt Eure Laufschuhe, Turnschuhe, Stiefel. Dreiländereck 12 Uhr 15, Waldstadion 13.15, Ludwig-Kuhnen-Stadion 13:30 und für die konditionsärmeren Schichten: Kurz vor 14 Uhr Ecke Templergraben/Pontstraße. Notfalls auch barfuß.
PS Olaf Müller, Leiter des Kulturbetriebs der Stadt Aachen, kommt uns in Vossenack zum Frühstück besuchen und berichtet vom Stand der Dinge Sonntag 14 Uhr. Er lese immer begeistert unseren blog, sagt er. Soll er jetzt mal was über sich lesen.