Archiv des Autors: Bernd Müllender

5. Tag – Srebrenica – welche Stadt, welch Empfang

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Srebrenica, die Stadt des Genozids am 11. Juli 1995. Mindestens 8.000 Muslime wurden damals zusammengepfercht und binnen Stunden ermordet. Alle von uns sind ergriffen von den 40 Kindern, die auf den letzten 3 Kilometern vor Srebrenica nach und nach zu uns stoßen, an jeder Kurve stand wieder eines, dass dann die Fackel übernahm. Heinz sagt später bei unserer Tagesbesprechung, was mögen die Eltern dieser Kinder erlebt haben, vielleicht gibt sind auch Kinder aus Vergewaltigungen dabei. Ein Kind, so Giana, habe nur gesagt: „Endlich kommt die Friedensflamme.“

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Eine Stunde Programm, Tanz, Live-Musik, eine tolle Rede des Bürgermeisters, viele Menschen. Längst vergessen die Qualen des Tages – 40 Kilometer, wieder auf fast 1.000 Meter hoch, zeitweilig im mittlerweile strömenden Regen (der letzte laut Wetterbericht für die nächsten Tage, endlich). Bosnien hatte den nassesten Juli seit Menschengedenken: 21 Regentage, statt durchschnittlich 1. Emad erjoggte sich derweil mit seinem Halbmarathon den Titel eines Ehren-Lukas (siehe Tag 4).

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4. Tag – Tag der Katzen und Hunde (update 1.8.)

Heinz wird zum Helden der Nacht. Schon am Abend hatte ein Köter erst Marie, später Bernd bei seiner GuteNacht-Zigarette, aggressiv aus der Dunkelheit neben dem Haus angeknurrt. Plötzlich mitten in der Nacht ist das Tier im Flur unseres Motels. Man hört „Sheeet, sheeet“, dann etwas leitwolfhaft kräftiger. Heinz schaffte es tatsächlich, das seltsame Viech zu verjagen.

Endlich, am vierten Tag, dreht sich heute am Nachmittag nach der Südostschleife unsere Laufrichtung Richtung Norden. Das bedeutet: Erstmals kommen wir Aachen näher. Schon fliegen die Beine schneller. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es nach dem Aufstieg auf 1.070 Meter ins serbische Bajina Basta bergab geht. Und weil es entgegen der Vorhersage zu regnen aufgehört hatte.

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Grenzübertritt nach Serbien 18 Kilometer hinter Visegrad. Auf bosnischer Seite will sich uns ein Kätzchen anschließen. „Das“, weiß Männer-Kennerin Nikoleta mit schnellem Blick, „ist doch ein Kater, da, guck mal,  ist doch das Gehänge“. Wir sehen nur Fell. Auch auf serbischer Seite keinerlei Kontrollen der Autos. Allerdings gab es ein Problem: Jürgen. Der konnte es nicht lassen, ein Foto von der lauschigen Grenzanlage mitten im Wald zu machen. Das fand der sehr gestrenge Herr Wachhabende strenggesichtig aber so was von gar nicht lustig. Er zitierte Jürgen aus einer Entfernung von gut 30 Metern zu sich, Jürgen musste sich vor das Fotografieren verboten – Schild stellen und es sich intensiv angucken. Dann bitte den Chip löschen. Halt, nein, nee… Nach kurzer Diskussion beließ es die serbische Autorität beim Löschen des einen Bildes.

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Symbolbild: Bernd versucht die Zöllner zu beruhigen.

Der 4. Tag ist ansonsten ein trauriger. Wir müssen uns nach zwei Drittel der Strecke von der Hellmann-Family (Vater Peter, Töchter Marie und Jenny) verabschieden. Alle drei versprechen in den Alpen oder spätestens beim Weg durch Bayern wieder dabei zu sein. Mujo fährt sie zum Flughafen nach Sarajevo. Auch Lukas sitzt im Wagen zum Airport. Er muss aus beruflichen Gründen (ein plötzlicher dicker Auftrag) seine geplanten zehn Tage abkürzen. Lukas ist ein Knaller. Er ist an jedem der vier Lauftage vom Start weg einen Marathon gelaufen und hat den anderen dadurch einiges an Laufarbeit abgenommen. Auch Lukas will irgend möglich noch mal ein Wochenende zu uns stoßen. Hoffentlich!

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Lukas auf dem Weg zum Pass.

Es regnet Katzen und Hunde, wie der Angelsachse sagen würde. Auf den letzten Kilometern hatte Lukas im strömenden Regen ein streunender Hund begleitet. Damit hatten wir nach den zehn Schulkindern von Ustikolina und den 20 Kilometer mitjoggenden Soldaten auf dem Weg nach Gorazde eine ganz neue Art von Ortsläufer. Die Fackel wollte er im prasselnden Regen allerdings nicht in die Schnauze nehmen. Ein dickes Sandwich lenkte den verspielten Kerl dann ab.

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In Bajina Basta laufen wir mit zwei Sportlern des Ortes ein. Der eine ist serbischer Jugendmeister im Hochsprung (2, 10 Meter), der andere Mittelstreckencrack. Die Damen in unserer Gruppe sind doch vom knackigen komplett schwarzen Outfit der beiden angetan. Im Ort einiger Jubel und Applaus, weil die beiden bekannt sind. Vielleicht galt ns auch was davon. Konny hatte schon den Lautsprecher vor dem Touristenbüro aktiviert und so donnerten die Neogene-Lieder durch den Ort.

Die Begrüßung: serbisch kühl wie am Tag zuvor in Visegrad, und jenseits größerer Öffentlichkeit. Ein Lauf, der von Sarajevo startet, macht misstrauisch, sagen unsere Bosnier.

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Schon in Sarajevo

Parallel zum Start des Bus-Korso in Aachen sind Neogene pünktlich aus Köln kommend in Sarajevo gelandet. Mujo shuttelt die 6-köpfige Band (inkl Sohn Aljoscha, 8 Monate) in die City. Das zweite Fahrzeug (ein Taxi) geht zeitweise verloren. Es war zur falschen Kirche als Treffpunkt gefahren. Wo viele Religionen mit vielen Gotteshäusern wohnen, verlieren auch Taxifahrer schon mal die Orientierung. Am Abend hatte der Muezzin kurz vor Mitternacht damit begonnen, fast eine halbe Stunde lang die Gläubigen kurz vor Ende des Ramadan auf den rechten Weg zu führen. Gleichzeitig bimmelte die orthodoxe Kathedrale wild mit zwölf Schlägen zur Nacht.
Mitläufer Bernd Müllender, schon am Vorabend eingetroffen, entdeckte binnen Minuten vier Flame-for-Peace-Plakate in Schaufenstern der Innenstadt.
Sarajevo zählt die Stunden bis zum Eintreffen der Läufer- und Organisations-Karawane aus dem nordwestlichen Abendland, aus Ahena, wie Aachen hier heißt