Am Sonntag, dem 14.12.14, sind wir wie die Verrückten vom Vichtbachtal (Zweifall) nach Aachen gepest: 18 Kilometer!
Srebrenica – am Morgen laufen wir los zur Gedenkstätte des Genozids vom Juli 1995 und legen einen Kranz nieder. Giana weint beim Übersetzen der Berichte und persönlichen Erlebnis eines Zeitzeugen, Peter und Nikoleta stützen sich gegenseitig. Wir fassen uns alle an den Händen und bilden mit einem Dutzend Einheimischer, darunter einige alte Frauen mit Kopftuch, für eine Minute einen Kreis des Innehaltens.
Was hier vor fast 20 Jahren Vertreter unserer Spezies anrichteten, es bleibt unfassbar. Man schämt sich, Mensch zu sein.
Unsere Laufetappe begleitet jetzt Sasa, 32, aus Srebrenica. Er ist arbeitsloser Holzfäller und läuft spontan ein paar Tage mit, zwischendurch will er sich nach einem Job umsehen. Er ist also quasi mit unserem Tross auf der Walz. Was für eine Type: Ein Muskelberg von Mensch mit Glatze und Kinnbart, Tattoos überall, raucht reichlich und trinkt schon zum Frühstück Weinschorle. Er hatte als Serbe den Kranz für die muslimischen Opfer mit uns niedergelegt und sagt: »Das wird sicher Gerede geben, wenn ich wieder nach Hause komme, aber für mich war das gut so. Dazu stehe ich.« Er bekommt standing ovations. Benni sagt morgens, er habe noch nie jemanden im Leben so schnarchen hören. Und Benni ist auch schon 30. Konny beschallt die Läufer mittlerweile mit Musik aus seinem Friedensmobil, auf Wunsch Händel, Konstantin Wecker oder unsere Hymne auf englisch oder bosnisch. Ansonsten ist es eine chaotische Etappe: Brütende Hitze, vielbefahrene Landstraßen, sehr unschönes Laufen. Etliches an Organisation geht schief, Wagen fehlen, wo sie sein sollten, es gibt widersprüchliche Absprachen, fehlende Richtungsangaben. Erstmals gibt es mit quietschenden Reifen eine haarige Verkehrssituation, lange Schlangen hinter uns und ein ungeduldiger Taxifahrer, der alles an erigierten Mittelfingern aus dem Fenster streckt, was er zur Verfügung hat. Hans tänzelt derweil mit seinem Fahrrad zwischen Läufern, Lkw und Gegenverkehr und bremst auch mal voll ab, sobald er ein schönes Fotomotiv sieht. Am Ende findet er den Weg zur Unterkunft nicht, Jürgen fischt ihn wieder ein. Dabei waren wir am Etappenende doch beim Drinski Raj, dem Drina-Paradies, einem malerischen Stausee gleich vor der Stadt. Ein Autoschlüssel geht zu Bruch, der Mercedes ist nur noch analog zu bedienen. Zwischendurch geht Dagmar vom Filmteam in den Bergen auf der Suche nach einer Bergmoschee verloren und wird erst nach über einer Stunde orientierungslos von einer alten Schäferin gefunden, die sie mit Händen und Füßen redend wieder auf den Weg bringt. Die Odysse zur Bergmoschee
Montag sollen uns sechs bosnische Marathonläufer von Loznica in Serbien nach Tuzla begleiten.