14. Tag – Montag, 11. August.Es gibt Etappen, da muss das Erlebte erstmal sacken. Klar, es gab die üblichen Herausfordeungen – den Lauf, der Hitze trotzen, Läuferwechsel im richtigen Moment, und dann hat Dino sich auch noch an der Fackel verbrannt.
Im Mittelpunkt standen aber die Zwischenstopps an den Gefangenenlagern des Bosnienkrieges.
Die Route führte zunächst zur Bergarbeiterstadt Omarska. Auf dem Weg dorthin stand ein Bauer am Straßenrand und sagte zynisch:
„Erst treibt ihr uns auseinander, dann bringt ihr uns die Bomben, und jetzt kommt ihr mit der Friedensflamme“
In Omarska, wo heute eine Metallfabrik steht, wurden 1992 tausende mehrheitlich Bosniaken und Kroaten aus der Umgebung von paramilitärischen serbischen Einheiten gefangen gehalten.
Hier wurde gemordet, gefoltert, vergewaltigt. Man vermutet an die 7000 Todesopfer. Schwer zu ertragen, hier zu stehen. Zumal diese Taten von den Tätern weiterhin geleugnet werden. Der Zugang zu den Fabrikhallen wird von der Werksleitung verweigert. Sie steht unter dem Druck von Politikern aus Banja Luka. Kein Gedenken ist hier möglich, kein Journalist konnte bisher die Hallen besuchen.
Der stellvertretende Vorsitzende des Vereins, in dem sich ehemalige Häftlinge aller drei Volksgruppen zusammengeschlossen haben, begleitet uns und gibt uns Informationen. Eine mutige Entscheidung, denn das wird nicht gerne gesehen.
Noch während er spricht, gibt es Unruhe, hektische, laute Telefonate, die Gruppe wird aus vorbeifahrenden Wagen fotografiert. Wir halten uns nicht lange auf, laufen und fahren weiter nach Trnopolje.
In Trnopolje sind die Ängste unseres Begleiters noch deutlicher zu spüren. Auch hier befand sich ein Lager, eine Schule wurde zu einem Konzentrationslager umfunktioniert. Tausende Menschen wurden hier zusammengepfercht. Es waren vor allem Muslime, die aus den Gebieten rund um Prjedor vertrieben wurden. Trnopolje war ein sogenanntes offenes Lager. Die Gefangenen konnten sich theoretisch frei bewegen, aber sie wussten genau, dass sie nicht wirklich eine Chance hatten, das Lager lebend zu verlassen.
In einem Nachbarhaus wurden Frauen systematisch vergewaltigt, serbische Paramilitärs erwarteten Frauen zu ihrer Verfügung vorzufinden.
Als wir in Trnopolje ankommen, holt Heinz Fikra hinzu, die in der Nähe wohnt. Ihr Mann und ihr Sohn wurden damals zusammen mit 600 weiteren Männer aus dem Lager abgeführt, in Bussen mit dem Zeichen des Roten Kreuzes weggebracht. Ihnen und den Angehörigen wurde versichert, dass sie gerettet würden. Erst vor ein paar Jahren wurden ihre Leichen identifiziert – in einem weiteren Massengrab. Sie wurden alle erschossen, in einen Steinbruch geworfen, der anschließend gesprengt wurde.
Heinz hat Fikra 1993 in Aachen kennengelernt und sie bei sich aufgenommen, sie seitdem immer wieder unterstützt. Es ist ein Traum von ihm, gemeinsam mit ihr an dieser Stelle zu stehen. Seit damals war Fikra nie wieder hier. Heute wagt sie es zum ersten Mal.
Ein bewegender Moment.
Auch ein Mitglied der Biker Gruppe, die uns spontan begleitet hat, war im Konzentrationslagers Trnopolje.
In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers steht ein serbisches Denkmal mit der Inschrift:
„Dem tapferen serbischen Volk für seinen Kampf gegen Unfreiheit und Unterdrückung.“
Uns allen ist absolut unverständlich, dass dieses grauenvolle Monument nicht endlich entfernt wird – als vielleicht erster Schritt zu einer Versöhnung.
Das Denkmal für die Opfer steht in Kozarac. Die langen Reihen gleicher Namen zeigt, dass hier ganze Familien ausgerottet wurden.
Im Haus des Friedens, unserer Unterkunft, hängen die Bilder einiger Opfer. Es berührt nochmal sehr, wenn diese Menschen ein Gesicht bekommen.
Es sind nur einige der vielen Opfer. Bei weitem nicht alle Vermissten sind bisher gefunden und identifiziert worden. Dieses Kapitel ist noch läng nicht abgeschlossen. Eine Mitarbeiterin des Hauses sagt, dass erst Ende 2013 in Tomašica die Überreste von über 400 weiteren Opfern in einem Massengrab gefunden wurden – sie war dabei, eine schreckliche Vorstellung.