Archiv der Kategorie: Laufbericht

Dauerregen und die Folgen

Update:
Mit den Fluten ist es Gottseidank nicht so schlimm wie befürchtet. Trotzdem haben wir unterwegs viele überschwemmte Felder gesehen, die Bosna ist über die Ufer getreten, einige Häuser stehen im Wasser. Doch der Regen lässt nach.

Verstopfte Gullis - überschwemmte Straßen

Verstopfte Gullis – überschwemmte Straßen in Doboj

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Seit Dienstag Abend regnet es ununterbrochen – besser gesagt, es schüttet. In Tuzla sollen in der letzten Nacht 82 Liter pro Quadratmeter Niederschlag gefallen sein, im Mai waren es 40 Liter pro Quadratmeter in drei Tagen. Die geplante Laufstrecke nach Doboj ist gesperrt, die alternative Strecke erheblich länger, geht hoch in die Berge. Auch hier kämpfen die Menschen in manchen Ortschaften schon wieder mit den Fluten.

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Wir haben den Lauf unterbrochen, das kann man keinem Läufer zumuten. Sowohl die Sicherheit der Läufer als auch des Verkehrs um uns herum geht vor. Denn immer wieder ist die Straße überflutet, es wird mit Sandsäcken, Schubkarren, Schaufeln hantiert, der Verkehr ist chaotisch.

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Wir fahren gleich weiter nach Doboj und schauen, wie die Situation vor Ort tatsächlich ist und entscheiden dann, wie es weitergeht.

6. Tag – Etappe des Grauens

Srebrenica – am Morgen laufen wir los zur Gedenkstätte des Genozids vom Juli 1995 und legen einen Kranz nieder. Giana weint beim Übersetzen der Berichte und persönlichen Erlebnis eines Zeitzeugen, Peter und Nikoleta stützen sich gegenseitig. Wir fassen uns alle an den Händen und bilden mit einem Dutzend Einheimischer, darunter einige alte Frauen mit Kopftuch, für eine Minute einen Kreis des Innehaltens.

Was hier vor fast 20 Jahren Vertreter unserer Spezies anrichteten, es bleibt unfassbar. Man schämt sich, Mensch zu sein.

FNawrath_MG_4373 Unsere Laufetappe begleitet jetzt Sasa, 32, aus Srebrenica. Er ist arbeitsloser Holzfäller und läuft spontan ein paar Tage mit, zwischendurch will er sich nach einem Job umsehen. Er ist also quasi mit unserem Tross auf der Walz. Was für eine Type: Ein Muskelberg von Mensch mit Glatze und Kinnbart, Tattoos überall, raucht reichlich und trinkt schon zum Frühstück Weinschorle. Er hatte als Serbe den Kranz für die muslimischen Opfer mit uns niedergelegt und sagt: »Das wird sicher Gerede geben, wenn ich wieder nach Hause komme, aber für mich war das gut so. Dazu stehe ich.« Er bekommt standing ovations. Benni sagt morgens, er habe noch nie jemanden im Leben so schnarchen hören. Und Benni ist auch schon 30. _MG_4383FNawrath_MG_4395  Konny beschallt die Läufer mittlerweile mit Musik aus seinem Friedensmobil, auf Wunsch Händel, Konstantin Wecker oder unsere Hymne auf englisch oder bosnisch. Ansonsten ist es eine chaotische Etappe: Brütende Hitze, vielbefahrene Landstraßen, sehr unschönes Laufen. Etliches an Organisation geht schief, Wagen fehlen, wo sie sein sollten, es gibt widersprüchliche Absprachen, fehlende Richtungsangaben. Erstmals gibt es mit quietschenden Reifen eine haarige Verkehrssituation, lange Schlangen hinter uns und ein ungeduldiger Taxifahrer, der alles an erigierten Mittelfingern aus dem Fenster streckt, was er zur Verfügung hat. Hans tänzelt  derweil mit seinem Fahrrad zwischen Läufern, Lkw und Gegenverkehr und bremst auch mal voll ab, sobald er ein schönes Fotomotiv sieht. Am Ende findet er den Weg zur Unterkunft nicht, Jürgen fischt ihn wieder ein. Dabei waren wir am Etappenende doch beim Drinski Raj, dem Drina-Paradies, einem malerischen Stausee gleich vor der Stadt. Ein Autoschlüssel geht zu Bruch, der Mercedes ist nur noch analog zu bedienen. Zwischendurch geht Dagmar vom Filmteam in den Bergen auf der Suche nach einer Bergmoschee verloren und wird erst nach über einer Stunde orientierungslos von einer alten Schäferin gefunden, die sie mit Händen und Füßen redend wieder auf den Weg bringt. Die Odysse zur Bergmoschee

Montag sollen uns sechs bosnische Marathonläufer von Loznica in Serbien nach Tuzla begleiten. FNawrath_MG_4381

5. Tag – Srebrenica – welche Stadt, welch Empfang

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Srebrenica, die Stadt des Genozids am 11. Juli 1995. Mindestens 8.000 Muslime wurden damals zusammengepfercht und binnen Stunden ermordet. Alle von uns sind ergriffen von den 40 Kindern, die auf den letzten 3 Kilometern vor Srebrenica nach und nach zu uns stoßen, an jeder Kurve stand wieder eines, dass dann die Fackel übernahm. Heinz sagt später bei unserer Tagesbesprechung, was mögen die Eltern dieser Kinder erlebt haben, vielleicht gibt sind auch Kinder aus Vergewaltigungen dabei. Ein Kind, so Giana, habe nur gesagt: „Endlich kommt die Friedensflamme.“

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Eine Stunde Programm, Tanz, Live-Musik, eine tolle Rede des Bürgermeisters, viele Menschen. Längst vergessen die Qualen des Tages – 40 Kilometer, wieder auf fast 1.000 Meter hoch, zeitweilig im mittlerweile strömenden Regen (der letzte laut Wetterbericht für die nächsten Tage, endlich). Bosnien hatte den nassesten Juli seit Menschengedenken: 21 Regentage, statt durchschnittlich 1. Emad erjoggte sich derweil mit seinem Halbmarathon den Titel eines Ehren-Lukas (siehe Tag 4).

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