Archiv des Autors: Dagmar Diebels

Dauerregen und die Folgen

Update:
Mit den Fluten ist es Gottseidank nicht so schlimm wie befürchtet. Trotzdem haben wir unterwegs viele überschwemmte Felder gesehen, die Bosna ist über die Ufer getreten, einige Häuser stehen im Wasser. Doch der Regen lässt nach.

Verstopfte Gullis - überschwemmte Straßen

Verstopfte Gullis – überschwemmte Straßen in Doboj

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Seit Dienstag Abend regnet es ununterbrochen – besser gesagt, es schüttet. In Tuzla sollen in der letzten Nacht 82 Liter pro Quadratmeter Niederschlag gefallen sein, im Mai waren es 40 Liter pro Quadratmeter in drei Tagen. Die geplante Laufstrecke nach Doboj ist gesperrt, die alternative Strecke erheblich länger, geht hoch in die Berge. Auch hier kämpfen die Menschen in manchen Ortschaften schon wieder mit den Fluten.

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Wir haben den Lauf unterbrochen, das kann man keinem Läufer zumuten. Sowohl die Sicherheit der Läufer als auch des Verkehrs um uns herum geht vor. Denn immer wieder ist die Straße überflutet, es wird mit Sandsäcken, Schubkarren, Schaufeln hantiert, der Verkehr ist chaotisch.

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Wir fahren gleich weiter nach Doboj und schauen, wie die Situation vor Ort tatsächlich ist und entscheiden dann, wie es weitergeht.

Die Odysse zur Bergmoschee

Samir hatte mir schon vor Wochen ein Bild der Moschee von Kuslat geschickt. Es ist die älteste Moschee Bosniens, sie wurde 1461 für die türkische Garnison gebaut und hat noch eines der seltenen Holzminarette. Davon sind viele durch Bltzschlag und Feuer zerstört worden. Jetzt hatte Samir uns ein Kreuzchen in die Karte gemacht. Eine versteckte Schönheit Bosniens, die wollten wir in unserem Film sichtbar machen.

bergmoschee6Nach drei vergeblichen Versuchen, den Weg zur Bergmoschee zu finden, ließen wir uns auf einen Deal ein: für 20 Konvertible Mark (10 €) setzte sich ein Wegweiser zu uns ins Auto. Ein paar Brocken französiche, viel Körpersprache, wir verstanden: paar Minuten Autofahrt, dann zu Fuß ein kurzes Stück den Berg hoch.

Doch dann ging es mächtig den Berg hoch, ich kam nicht mehr hinterher, verpasste die kaum sichtbare Abzweigung. Ich bin schließlich auf dem nächsten Berg gelandet. 5 Wege standen zur Auswahl, ich wählte den, der mir am wahrscheinlichsten schien.

Nach einem weiteren Kilometer und vielem Rufen wurde mir klar, dass wir uns definitiv verloren hatten. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ausgerechnet jetzt war das Guthaben meiner bosnischen SIM Karte verbraucht, die PIN zum aufladen unten im Tal.

Ich ging zurück, versuchte noch einen zweiten Weg, abwechselnd denkend, wird schon gut gehen, ich muss ja nur wieder runter ins Tal und – wer weiß, was hier alles passieren kann.

Ich traf eine alte Schäferin, zahnlos lächlend umringt von blökenden Schafen. Mir fiel das arabische Wort „Djamia“ ein, das auch hier Moschee bedeutet. Sie verstand mich! Brachte mich zurück auf den Weg, auf dem ich gekommen war. Ich war eindeutig viel zu weit gegangen. Ständig rufend ging ich bergab. Dann endlich. Antwort. Große Erleichterung. Wir hatten uns wiedergefunden.

Tom kannte ja nun den Weg zur Moschee und wir gingen das kurze steile Wegstück noch einmal hoch. Diese Belohnung musste nach all der Anstrengung einfach sein!

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Der Blick ins Tal war grandios. Ein glücklicher Abschluss eines ungewollten Abenteuers.

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3.Tag – Ustikolina – Višegrad

Die Sonne brennt ganz gut heute morgen und Mirza Zonić, der Fußballer aus Tuzla, schnürt seine Laufschuhe. Wir sind in der Kaserne von Ustikolina, wo wir übernachtet haben.

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Mirza ist hier Soldat. Drei Soldaten werden die Friedensflamme mittragen, Mirza, sein Fußballkollege Almir Adilović und der bosnische Marathonläufer Zaim Šuman.

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Almir Adilović

Sie laufen mit bis Goražde, wo der Bürgermeister und begeistert klatschende Goraždianer uns empfangen und Hits der lerzten 10 Jahre in Rekordlautstärke über den Platz dröhnen – extra für uns.
Urkunden werden an die Gastläufer verteilt und weiter geht’s.

Die Strecke führt durch diverse Tunnel, manche so lang, dass man das Licht am Ende ertsmal nicht sieht. Wir fahren mit unserem roten Filmbus schon mal vor und ich frage mich, wie das ist, hier durchzulaufen. Nicht so schlimm, wie es aussieht, erfahre ich später.

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Der offizielle Empfang in Višegrad ist leicht unterkühlt, ein Vertreter des Tourismusbüros spricht ein paar Sätze und ignoriert die Frage nach Grußworte von Jugendlichen, die wir mit nach Straßburg nehmen wollen. Als Antwort wünscht er wortreich einen schönen Abend – und das war’s.

Umso freundlicher werden wir in dem kleinen Hotel am Rande des Ortes aufgenommen. Alle haben Hunger, Konni verarbeitet in seinem Viel-Sterne-Kochmobil die versehentlich halbgefrorenen Bananen zu köstlich nahrhafter Bananenmilch.

FNawrath_MG_4181Danach – Soße mit Sojafleisch. Extrem lecker – nur – das Gas ist alle bevor der Reis gekocht werden kann. Nur Soße mit Sojakram, das kann nicht reichen nach so einem Lauf. Panik kommt auf, Mägen knurren vernehmlich. Spontan werden im Hotelrestaurant Nudeln für uns gekocht, in mehreren Etappen, bis alle – fast – satt sind. Das nenn ich Gastfreundschaft!

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Der zweite Lauftag

Heute war schon mehr Strecke zu bewältigen – 60 km. Und viele waren immer noch ausgelaugt von der strapaziösen Anreise. Zwei „Flammen“, der gut trainierte Marathonläufer Lukas Küpper und der Kickbikefahrer Peter Bartel waren so großartig, sehr früh aufzustehen und schon mal gut was wegzuschaffen. Ich glaube, es waren gut 25 km oder mehr. Danke dafür!

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Der Rest durfte etwas länger schlafen und wurde zum Treffpunkt gefahren. Da gab es erstmal gemeinsames Frühstück.

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fruehstueck2Etappenziel war heute der kleine Ort Ustikolina. Wir wurden sehr sehr herzlich empfangen. Kids aus dem Ort in Fußballmanschaftsstärke liefen gemeinsam das letzte Stück bis zum Festplatz mit.

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Auf dem Festplatz gab es berührende Worte von beiden Seiten und viel Applaus für die Läufer und für die Idee von flame for peace. Das Bosnien das erste Land unseres Europalaufs ist, haben sie sehr deutlich und auch stolz wahrgenommen.

ustikolina-flammeZum Abschluss haben jungen Damen des Ortes für uns getanzt – voller Temperament und guter Laune.

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